Scrum
Scrum ist das am weitesten verbreitete agile Framework für die Softwareentwicklung und Produktentwicklung. Es wurde in den 1990er Jahren von Ken Schwaber und Jeff Sutherland entwickelt und bietet einen strukturierten Rahmen für Teams, um komplexe Produkte iterativ und inkrementell zu entwickeln. Der offizielle Scrum Guide definiert die Regeln und Praktiken des Frameworks.
Geschichte und Entwicklung von Scrum
Der Begriff "Scrum" stammt ursprünglich aus dem Rugby, wo er das Gedränge bezeichnet, bei dem das Team eng zusammenarbeitet, um den Ball nach vorne zu bringen. Die Analogie passt: Auch in der Softwareentwicklung geht es bei Scrum um enge Teamarbeit und gemeinsames Vorankommen.
Die Wurzeln von Scrum reichen bis in die 1980er Jahre zurück. Der japanische Wissenschaftler Hirotaka Takeuchi und Ikujiro Nonaka beschrieben 1986 in einem Artikel für die Harvard Business Review einen neuen Produktentwicklungsansatz. Ken Schwaber und Jeff Sutherland formalisierten diese Ideen und stellten Scrum erstmals 1995 auf der OOPSLA-Konferenz vor. Seitdem wird der Scrum Guide regelmäßig aktualisiert - die aktuelle Version stammt aus dem Jahr 2020.
Die drei Scrum-Rollen
Ein Scrum Team besteht aus drei klar definierten Rollen, die zusammen für den Erfolg des Produkts verantwortlich sind. Jede Rolle hat spezifische Verantwortlichkeiten, die sich gegenseitig ergänzen.
Product Owner
Der Product Owner ist für die Maximierung des Produktwerts verantwortlich. Er pflegt und priorisiert das Product Backlog, definiert User Stories und Akzeptanzkriterien und repräsentiert die Interessen der Stakeholder gegenüber dem Team. Der Product Owner entscheidet, welche Features als nächstes entwickelt werden sollen und wann ein Increment als "fertig" gilt.
Scrum Master
Der Scrum Master ist der "Diener" des Teams und sorgt dafür, dass Scrum korrekt angewendet wird. Er beseitigt Hindernisse (Impediments), die das Team bei der Arbeit blockieren, moderiert die Scrum Events und schützt das Team vor Störungen von außen. Der Scrum Master coacht das Team in agilen Praktiken und fördert die kontinuierliche Verbesserung.
Developers (Entwicklungsteam)
Die Developers sind die Fachleute, die das Increment erstellen. Im Scrum Guide 2020 wurde der Begriff "Development Team" durch "Developers" ersetzt, um klarzustellen, dass alle Teammitglieder gleichberechtigt sind. Das Team ist selbstorganisiert und entscheidet eigenständig, wie es die Arbeit erledigt. Typischerweise besteht ein Scrum Team aus 5-10 Personen inklusive Product Owner und Scrum Master.
Die fünf Scrum Events
Scrum definiert fünf Events (Ereignisse), die einen regelmäßigen Rhythmus für Inspektion und Adaption schaffen. Alle Events sind zeitlich begrenzt (timeboxed), um Fokus zu gewährleisten und endlose Meetings zu vermeiden.
Sprint
Der Sprint ist das Herzstück von Scrum - ein fester Entwicklungszyklus von maximal vier Wochen, in dem ein nutzbares Increment erstellt wird. Alle anderen Events finden innerhalb des Sprints statt. Während eines Sprints werden keine Änderungen vorgenommen, die das Sprint-Ziel gefährden könnten. Die Länge sollte konsistent bleiben, um einen stabilen Rhythmus zu etablieren.
Sprint Planning
Das Sprint Planning findet zu Beginn jedes Sprints statt und dauert maximal acht Stunden für einen vierwochigen Sprint. Das Team beantwortet drei Fragen: Warum ist dieser Sprint wertvoll? Was kann in diesem Sprint erledigt werden? Wie wird die Arbeit erledigt? Das Ergebnis ist das Sprint Backlog mit dem Sprint-Ziel.
Daily Scrum
Das Daily Scrum ist ein tägliches Meeting von maximal 15 Minuten. Die Developers synchronisieren ihre Arbeit und planen die nächsten 24 Stunden. Klassisch beantworten Teilnehmer drei Fragen: Was habe ich gestern getan? Was werde ich heute tun? Gibt es Hindernisse? Das Format kann jedoch vom Team angepasst werden.
Sprint Review
Das Sprint Review findet am Ende des Sprints statt und dauert maximal vier Stunden. Das Team präsentiert das Increment den Stakeholdern und sammelt Feedback. Es ist keine reine Demo, sondern ein kollaborativer Workshop, bei dem das Product Backlog basierend auf neuen Erkenntnissen angepasst werden kann.
Sprint Retrospective
Die Sprint Retrospective ist der Abschluss jedes Sprints und dauert maximal drei Stunden. Das Scrum Team reflektiert den vergangenen Sprint: Was lief gut? Was kann verbessert werden? Welche konkreten Verbesserungen werden im nächsten Sprint umgesetzt? Die Retro fördert kontinuierliche Verbesserung (Kaizen).
Die drei Scrum-Artefakte
Scrum arbeitet mit drei Artefakten, die Transparenz über die Arbeit schaffen. Jedes Artefakt hat ein zugehöriges Commitment, das Fokus und Messbarkeit sicherstellt.
Product Backlog
Das Product Backlog ist eine priorisierte Liste aller Anforderungen an das Produkt. Es enthält User Stories, Features, Bugfixes und technische Aufgaben. Der Product Owner ist für die Pflege verantwortlich. Das Commitment zum Product Backlog ist das Product Goal - das übergeordnete Ziel, auf das das Team hinarbeitet.
Sprint Backlog
Das Sprint Backlog besteht aus den für den aktuellen Sprint ausgewählten Product-Backlog-Einträgen sowie dem Plan, wie sie umgesetzt werden. Es gehört den Developers und wird während des Sprints aktualisiert. Das Commitment ist das Sprint Goal - das Ziel, das dem Sprint Sinn und Richtung gibt.
Increment
Das Increment ist die Summe aller im Sprint fertiggestellten Product-Backlog-Einträge plus aller früheren Increments. Es muss nutzbar sein und die Definition of Done erfüllen - das Commitment, das die Qualitätsstandards definiert. Nur Arbeit, die der Definition of Done entspricht, darf als Teil des Increments betrachtet werden.
Die fünf Scrum-Werte
Scrum basiert auf fünf Werten, die das Fundament für erfolgreiche Zusammenarbeit bilden. Ohne diese Werte bleibt Scrum eine leere Hülle aus Meetings und Artefakten.
- Commitment (Selbstverpflichtung): Das Team verpflichtet sich, die Sprint-Ziele zu erreichen und sich gegenseitig zu unterstützen
- Focus (Fokus): Konzentration auf die Sprint-Arbeit und die Ziele des Scrum Teams
- Openness (Offenheit): Transparenz über Arbeit und Herausforderungen gegenüber allen Beteiligten
- Respect (Respekt): Anerkennung der Fähigkeiten und Eigenständigkeit aller Teammitglieder
- Courage (Mut): Der Mut, schwierige Probleme anzugehen und das Richtige zu tun
Vergleich: Scrum vs. Kanban vs. Wasserfallmodell
Scrum ist nur eines von mehreren Vorgehensmodellen in der Softwareentwicklung. Je nach Projektkontext, Teamgröße und Anforderungen kann ein anderes Modell besser geeignet sein.
| Aspekt | Scrum | Kanban | Wasserfallmodell |
|---|---|---|---|
| Iterationen | Feste Sprints (1-4 Wochen) | Kontinuierlicher Fluss | Phasen (Analyse, Design, ...) |
| Rollen | Product Owner, Scrum Master, Developers | Keine vorgeschriebenen Rollen | Projektleiter, Fachexperten |
| Planung | Sprint-weise | Fortlaufend | Zu Projektbeginn komplett |
| Änderungen | Nach Sprint möglich | Jederzeit möglich | Nur über Change Requests |
| WIP-Limits | Implizit durch Sprint-Kapazität | Explizite Limits pro Spalte | Keine |
| Meetings | Feste Events (Daily, Retro...) | Keine vorgeschriebenen | Meilenstein-Reviews |
Scrum eignet sich besonders für Projekte mit unklaren oder sich ändernden Anforderungen, bei denen regelmäßiges Feedback wichtig ist. Kanban passt gut zu Teams mit variabler Arbeitslast wie Support oder Wartung. Das Wasserfallmodell kann bei Projekten mit stabilen, gut definierten Anforderungen sinnvoll sein - etwa bei regulatorischen oder sicherheitskritischen Systemen.
Scrum in der Praxis
Scrum wird heute in vielen Softwareunternehmen, IT-Abteilungen und Agenturen eingesetzt. Laut dem State of Agile Report nutzen über 60% der agilen Teams Scrum oder eine Scrum-Variante. Die Kombination aus klarer Struktur und Flexibilität macht das Framework besonders attraktiv für Teams, die von klassischen Vorgehensmodellen umsteigen möchten.
Wer als Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung arbeitet, wird Scrum mit hoher Wahrscheinlichkeit im Berufsalltag begegnen. Auch für Fachinformatiker für Systemintegration ist das Verständnis agiler Methoden nützlich, da IT-Projekte zunehmend nach Scrum organisiert werden.
Typische Werkzeuge
In der Praxis nutzen Scrum Teams verschiedene digitale Werkzeuge zur Unterstützung. Jira ist der Marktführer für Backlog-Management und Sprint-Planung. Alternativen wie Azure DevOps, Linear oder Notion bieten ähnliche Funktionen. Für verteilte Teams sind Videokonferenz-Tools wie Zoom oder Teams für Daily Scrums und Retrospektiven unverzichtbar.
Zertifizierungen
Für Scrum gibt es verschiedene Zertifizierungen, die Fachwissen bestätigen. Die Scrum.org bietet Zertifikate wie Professional Scrum Master (PSM) und Professional Scrum Product Owner (PSPO). Die Scrum Alliance vergibt den Certified ScrumMaster (CSM). Diese Zertifikate sind in der IT-Branche anerkannt und können die Karrierechancen verbessern.
Quellen und weiterführende Links
- Der offizielle Scrum Guide (Deutsch) - Die autoritative Quelle für Scrum
- Scrum.org - Offizielle Ressourcen und Zertifizierungen
- Scrum Alliance - Community und Zertifizierungen
- State of Agile Report - Jährliche Studie zur agilen Praxis