Zuletzt aktualisiert am 05.12.2025 6 Minuten Lesezeit

Kanban

Kanban ist eine agile Projektmanagement-Methode, die auf der Visualisierung von Arbeitsabläufen und der kontinuierlichen Optimierung des Arbeitsflusses basiert. Der Begriff stammt aus dem Japanischen und bedeutet wörtlich übersetzt "Signalkarte" oder "Tafel". Im Gegensatz zu anderen agilen Methoden wie Scrum arbeitet Kanban ohne feste Zeitboxen und ermöglicht eine flexible, kontinuierliche Arbeitsweise.

Geschichte und Ursprung

Die Wurzeln von Kanban liegen in der japanischen Automobilindustrie der 1940er Jahre. Nach dem Zweiten Weltkrieg stand Toyota vor der Herausforderung, mit der Produktivität amerikanischer Automobilhersteller mitzuhalten. Der Wirtschaftsingenieur Taiichi Ohno entwickelte 1947 das Kanban-System als Teil des berühmt gewordenen Toyota-Produktionssystems (TPS).

Das ursprüngliche System funktionierte mit physischen Karten, die an fertigen Produkten befestigt wurden. Sobald ein Produkt verkauft wurde, wanderte die Karte zurück an die Produktionslinie und signalisierte, dass ein neues Produkt gefertigt werden sollte. Dieses elegante Prinzip realisierte das Just-in-Time-Konzept: Nur das produzieren, was benötigt wird, wann es benötigt wird und in der Menge, in der es benötigt wird.

Die Ergebnisse bei Toyota waren beeindruckend: Die Vorratshaltung wurde deutlich reduziert und das Material im Prozess sank um bis zu 90 Prozent. In den 2000er Jahren wurde Kanban dann für die Softwareentwicklung adaptiert und hat sich seitdem als eigenständige agile Methode etabliert.

Die vier Kernprinzipien von Kanban

Kanban basiert auf vier fundamentalen Prinzipien, die den kontinuierlichen Arbeitsfluss ermöglichen und die Effizienz von Teams steigern.

Visualisierung

Das Herzstück von Kanban ist die Visualisierung aller Aufgaben auf einem Kanban-Board. Jede Aufgabe wird als Karte dargestellt, die durch verschiedene Spalten wandert. Diese Transparenz ermöglicht es dem gesamten Team, den aktuellen Stand aller Arbeiten auf einen Blick zu erfassen und Engpässe frühzeitig zu erkennen.

Work in Progress Limits

WIP-Limits (Work in Progress) begrenzen die Anzahl der Aufgaben, die sich gleichzeitig in einer Spalte befinden dürfen. Wenn beispielsweise das WIP-Limit für "In Bearbeitung" auf 3 gesetzt ist, darf das Team nicht mehr als drei Aufgaben parallel bearbeiten. Dies verhindert Überlastung, fördert die Fokussierung und sorgt dafür, dass Aufgaben fertiggestellt werden, bevor neue begonnen werden.

Pull-Prinzip

Im Gegensatz zum klassischen "Push"-Ansatz, bei dem Aufgaben zugewiesen werden, arbeitet Kanban nach dem Pull-Prinzip. Das bedeutet: Teammitglieder ziehen sich selbstständig neue Aufgaben, sobald sie Kapazität frei haben. Neue Arbeit wird also nur dann begonnen, wenn tatsächlich Kapazität vorhanden ist. Dies führt zu einem natürlicheren Arbeitsfluss und reduziert Wartezeiten.

Kontinuierlicher Flow

Kanban fördert einen kontinuierlichen Arbeitsfluss ohne feste Iterationen oder Sprints. Aufgaben werden fortlaufend bearbeitet und geliefert, anstatt in zeitlich begrenzten Zyklen. Das Ziel ist es, den Fluss stetig zu optimieren und die Durchlaufzeit (Lead Time) von Aufgaben zu minimieren.

Das Kanban-Board

Das Kanban-Board ist das zentrale Werkzeug der Methode. Es visualisiert den Arbeitsprozess durch Spalten, die verschiedene Arbeitsstände repräsentieren. Die klassische Grundstruktur besteht aus drei Spalten:

  • To Do (Backlog): Aufgaben, die noch nicht begonnen wurden und auf ihre Bearbeitung warten
  • In Progress (In Bearbeitung): Aufgaben, die aktuell vom Team bearbeitet werden - hier greifen die WIP-Limits
  • Done (Erledigt): Abgeschlossene Aufgaben

In der Praxis erweitern Teams diese Grundstruktur oft um zusätzliche Spalten wie "Review", "Testing" oder "Ready for Deployment", um ihren spezifischen Arbeitsprozess abzubilden. Im Gegensatz zu Scrum bleibt das Kanban-Board dauerhaft bestehen und wird nicht nach jeder Iteration zurückgesetzt.

Kanban vs. Scrum

Beide Methoden gehören zur Familie der agilen Methoden, unterscheiden sich aber in wesentlichen Punkten. Der folgende Vergleich hilft dir, die richtige Methode für dein Projekt zu wählen:

Aspekt Kanban Scrum
Zeitrahmen Kontinuierlicher Fluss ohne feste Zyklen Feste Sprints (1-4 Wochen)
Rollen Keine definierten Rollen Product Owner, Scrum Master, Team
Änderungen Jederzeit möglich Während eines Sprints nicht vorgesehen
Meetings Optional, nach Bedarf Feste Events (Planning, Daily, Review, Retro)
Board Bleibt dauerhaft bestehen Wird nach jedem Sprint zurückgesetzt
Lieferung Kontinuierlich Am Sprint-Ende
Metriken Lead Time, Cycle Time Velocity, Burndown

Kanban eignet sich besonders gut für Teams mit wechselnden Anforderungen, Support-Aufgaben oder kontinuierlichen Wartungsarbeiten. Scrum ist oft die bessere Wahl für Projekte mit klar definierten Zielen, die in regelmäßigen Abständen liefern müssen. Beide Methoden können auch kombiniert werden - dieser Ansatz wird als Scrumban bezeichnet.

Vorteile von Kanban

Kanban bietet gegenüber anderen Projektmanagement-Methoden mehrere Vorteile, die es besonders für flexible Arbeitsumgebungen attraktiv machen:

  • Hohe Flexibilität: Änderungen und neue Aufgaben können jederzeit eingefügt werden
  • Einfache Einführung: Kanban kann schrittweise implementiert werden, ohne bestehende Prozesse komplett umzustellen
  • Verbesserte Transparenz: Das Board macht den Arbeitsstatus für alle sichtbar
  • Reduzierte Überlastung: WIP-Limits verhindern, dass Teams zu viele Aufgaben parallel bearbeiten
  • Kürzere Durchlaufzeiten: Der Fokus auf Flow führt zu schnelleren Lieferungen
  • Kontinuierliche Verbesserung: Die Visualisierung macht Engpässe sichtbar und ermöglicht gezielte Optimierung

Herausforderungen und Grenzen

Trotz seiner Vorteile bringt Kanban auch Herausforderungen mit sich, die du bei der Einführung berücksichtigen solltest:

  • Weniger Struktur: Ohne feste Sprints kann der Fokus auf langfristige Ziele verloren gehen
  • Keine festen Liefertermine: Die kontinuierliche Arbeitsweise erschwert verbindliche Terminzusagen
  • WIP-Limits erfordern Disziplin: Teams müssen lernen, die Limits konsequent einzuhalten
  • Ungeeignet für komplexe Projekte: Bei großen Projekten mit vielen Abhängigkeiten kann mehr Struktur nötig sein
  • Gefahr der Stagnation: Ohne regelmäßige Retrospektiven kann die kontinuierliche Verbesserung vernachlässigt werden

Kanban-Tools in der Praxis

Für die digitale Umsetzung von Kanban stehen zahlreiche Tools zur Verfügung. In der Softwareentwicklung sind folgende besonders verbreitet:

  • Jira: Umfassendes Projektmanagement-Tool von Atlassian, besonders beliebt in der Softwareentwicklung
  • Trello: Einfaches, visuelles Board-Tool für kleinere Teams und Projekte
  • Azure DevOps: Microsoft-Lösung mit integrierten Kanban-Boards
  • GitHub Projects: Kanban-Boards direkt in GitHub integriert

Für den Einstieg kann auch ein einfaches physisches Board mit Haftnotizen an einer Wand oder einem Whiteboard ausreichen. Wichtiger als das Tool ist die konsequente Anwendung der Kanban-Prinzipien.

Kanban in der IT-Praxis

In IT-Unternehmen wird Kanban häufig für Support- und Wartungsaufgaben eingesetzt, bei denen Anfragen kontinuierlich eingehen und nicht in feste Sprints geplant werden können. Auch DevOps-Teams nutzen Kanban oft, um den kontinuierlichen Fluss von Deployments zu visualisieren und zu steuern.

Als Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung oder Fachinformatiker für Systemintegration wirst du in deinem Ausbildungsbetrieb mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Kanban-Boards treffen. Das Verständnis der Methode hilft dir, dich schnell in bestehende Arbeitsprozesse einzufinden und aktiv zur Optimierung beizutragen.

Quellen und weiterführende Links