Microservices
Microservices sind ein Architekturstil für Software, bei dem eine Anwendung aus vielen kleinen, unabhängigen Diensten besteht. Jeder dieser Dienste erfüllt genau eine Aufgabe und kommuniziert mit anderen Services über klar definierte Schnittstellen (APIs). Im Gegensatz zu monolithischen Anwendungen, die als eine große Einheit entwickelt und betrieben werden, lassen sich Microservices einzeln entwickeln, testen und deployen.
Geschichte und Entwicklung
Die Idee, Software in kleine, unabhängige Einheiten aufzuteilen, existierte schon lange. Der Begriff Microservices prägten James Lewis und Martin Fowler um das Jahr 2014. Die Architektur entstand als Antwort auf die wachsenden Probleme großer monolithischer Anwendungen, die schwer wartbar und skalierbar waren.
Netflix gilt als einer der Pioniere dieser Architektur. Das Unternehmen musste seinen Streaming-Dienst, der zeitweise ein Drittel des gesamten Internetverkehrs ausmachte, hochverfügbar und skalierbar gestalten. Mit der Einführung von Docker im Jahr 2013 wurde die Container-Technologie populär und ermöglichte es, Microservices einfacher zu verpacken und zu betreiben.
Funktionsweise
Eine Microservices-Architektur teilt eine Anwendung in viele kleine Services auf. Jeder Service ist für einen bestimmten Geschäftsbereich zuständig und verwaltet seine eigenen Daten. Die Kommunikation zwischen den Services erfolgt typischerweise über HTTP-basierte REST-APIs oder asynchrone Messaging-Systeme.
Architektur-Komponenten
Eine Microservices-Architektur besteht aus mehreren Ebenen, die zusammenwirken:
| Komponente | Beschreibung |
|---|---|
| Mikroarchitektur | Die interne Struktur jedes Services. Jedes Team kann eigene Technologien, Programmiersprachen und Datenbanken wählen. |
| Makroarchitektur | Die übergreifende Plattform und Infrastruktur, auf der alle Services laufen. |
| API Gateway | Ein zentraler Einstiegspunkt, der Anfragen an die richtigen Services weiterleitet und Querschnittsaufgaben wie Authentifizierung übernimmt. |
| Service Discovery | Mechanismus, mit dem Services einander finden und kommunizieren können. |
| Message Broker | Systeme wie RabbitMQ oder Apache Kafka für asynchrone Kommunikation zwischen Services. |
Die Kombination dieser Komponenten ermöglicht es, komplexe Anwendungen flexibel zu gestalten und einzelne Teile unabhängig voneinander weiterzuentwickeln.
Vorteile von Microservices
Die Microservices-Architektur bietet gegenüber monolithischen Anwendungen mehrere Vorteile, die besonders bei großen und wachsenden Systemen zum Tragen kommen:
- Unabhängige Entwicklung: Teams können Services parallel entwickeln, ohne sich gegenseitig zu blockieren
- Individuelle Skalierung: Nur die Services, die höhere Last haben, werden skaliert - nicht die gesamte Anwendung
- Technologiefreiheit: Jeder Service kann mit der optimalen Technologie umgesetzt werden (Polyglotte Programmierung)
- Fehlertoleranz: Der Ausfall eines Services führt nicht zwingend zum Ausfall der gesamten Anwendung
- Schnellere Deployments: Kleine Services lassen sich schneller testen und deployen als große Monolithen
- Bessere Wartbarkeit: Überschaubare Codebasen sind leichter zu verstehen und zu warten
Nachteile und Herausforderungen
Die verteilte Natur von Microservices bringt auch erhebliche Herausforderungen mit sich. Du solltest diese Nachteile kennen, bevor du dich für diese Architektur entscheidest:
- Erhöhte Komplexität: Die Verwaltung vieler Services ist aufwendiger als ein einzelner Monolith
- Netzwerk-Latenzen: Kommunikation zwischen Services erfolgt über das Netzwerk und ist langsamer als lokale Funktionsaufrufe
- Datenkonsistenz: Bei verteilten Datenbanken ist es schwieriger, Konsistenz sicherzustellen
- Debugging und Monitoring: Fehler über mehrere Services hinweg zu verfolgen, erfordert spezielle Tools
- Operativer Aufwand: Deployment, Konfiguration und Betrieb vieler Services benötigt ausgefeilte Automatisierung
- Initiale Investition: Der Aufbau der notwendigen Infrastruktur und Prozesse erfordert erhebliche Ressourcen
Microservices vs. Monolithische Architektur
Der Vergleich zwischen Microservices und monolithischer Architektur hilft dir zu verstehen, wann welcher Ansatz sinnvoll ist. Beide Architekturen haben ihre Berechtigung - die Wahl hängt von den spezifischen Anforderungen deines Projekts ab.
| Aspekt | Microservices | Monolith |
|---|---|---|
| Struktur | Viele kleine, unabhängige Services | Eine große, zusammenhängende Anwendung |
| Deployment | Jeder Service einzeln deploybar | Gesamte Anwendung muss deployt werden |
| Skalierung | Feinkörnig pro Service | Nur als Ganzes skalierbar |
| Technologie | Verschiedene Stacks möglich | Einheitlicher Tech-Stack |
| Team-Organisation | Kleine, autonome Teams pro Service | Größere Teams arbeiten an einer Codebasis |
| Entwicklungsgeschwindigkeit | Höher bei großen Projekten | Höher bei kleinen Projekten |
| Komplexität | Operationell komplex | Architektonisch komplex bei Wachstum |
| Fehlerauswirkung | Isoliert auf betroffenen Service | Kann gesamte Anwendung betreffen |
Für kleine Projekte mit wenigen Entwicklern ist ein Monolith oft die bessere Wahl - er ist einfacher zu entwickeln und zu betreiben. Microservices spielen ihre Staerken aus, wenn große Teams an komplexen Anwendungen arbeiten und unterschiedliche Teile unabhängig skalieren muessen.
Design-Prinzipien
Erfolgreiche Microservices-Architekturen basieren auf bewährten Designprinzipien. Diese Prinzipien helfen dir, häufige Fallstricke zu vermeiden und die Vorteile der Architektur voll auszuschoepfen.
Single Responsibility Principle
Jeder Service sollte genau eine Aufgabe erfuellen und diese gut machen. Ein Service für Benutzerregistrierung sollte beispielsweise nicht gleichzeitig für die Zahlungsabwicklung zuständig sein. Diese klare Trennung macht Services verstaendlicher und einfacher wartbar.
Lose Kopplung
Services sollten so wenig wie möglich voneinander abhaengen. Aenderungen an einem Service sollten keine Aenderungen an anderen Services erfordern. Dies erreichst du durch stabile Schnittstellen und asynchrone Kommunikation, wo immer möglich.
Datenhoheit
Jeder Service verwaltet seine eigenen Daten und ist die einzige Autoritaet für diese Daten. Andere Services greifen niemals direkt auf die Datenbank eines anderen Services zu - sie verwenden die bereitgestellte API. Wenn ein Service Daten eines anderen Services benötigt, haelt er eine lokale Kopie vor.
Praktisches Beispiel: E-Commerce-Anwendung
Ein Online-Shop als Microservices-Architektur koennte aus folgenden Services bestehen:
+------------------+ +------------------+ +------------------+
| User-Service | | Produkt-Service | | Warenkorb-Service|
| (Authentif.) | | (Katalog) | | (Cart) |
+------------------+ +------------------+ +------------------+
| | |
+------------------------+------------------------+
|
+------------------+
| API Gateway |
+------------------+
|
+------------------+
| Bestell-Service |
| (Orders) |
+------------------+
|
+------------------------+------------------------+
| | |
+------------------+ +------------------+ +------------------+
| Zahlungs-Service | | Versand-Service | | Benachrichtigungs|
| (Payment) | | (Shipping) | | Service (Email) |
+------------------+ +------------------+ +------------------+
Jeder dieser Services laeuft unabhängig und kann einzeln skaliert werden. Der Produkt-Service koennte zum Beispiel bei hohem Traffic auf zehn Instanzen hochskaliert werden, während der Versand-Service mit einer Instanz auskommt.
Technologien und Tools
Für die Umsetzung von Microservices gibt es ein breites Ökosystem an Technologien und Tools:
- Container: Docker für das Verpacken und Ausführen von Services
- Orchestrierung: Kubernetes, Docker Swarm oder OpenShift für das Management vieler Container
- Service Mesh: Istio oder Linkerd für Service-zu-Service-Kommunikation
- API Gateways: Kong, NGINX oder AWS API Gateway
- Message Broker: Apache Kafka, RabbitMQ oder Redis für asynchrone Kommunikation
- Monitoring: Prometheus, Grafana, Jaeger für Beobachtbarkeit
- Logging: ELK-Stack (Elasticsearch, Logstash, Kibana) für zentrales Logging
Best Practices
Aus der Praxis haben sich einige bewährte Vorgehensweisen herauskristallisiert, die dir helfen, Microservices erfolgreich umzusetzen:
- Klein anfangen: Starte nicht sofort mit 50 Services, sondern beginne mit wenigen und erweitere schrittweise
- Automatisierung priorisieren: Investiere früh in CI/CD-Pipelines und Infrastructure as Code
- Monitoring einrichten: Ohne gutes Monitoring wirst du blind fliegen - richte es von Anfang an ein
- Standardisierung: Definiere unternehmensweite Standards für Logging, Health Checks und API-Design
- API-First-Design: Entwirf zuerst die Schnittstellen, dann die Implementierung
- Resilience einbauen: Implementiere Circuit Breaker und Fallback-Mechanismen für Ausfallsicherheit
- Domain-Driven Design: Schneide Services entlang fachlicher Domänen, nicht technischer Schichten
Microservices in der IT-Praxis
Microservices haben sich in der professionellen Softwareentwicklung etabliert. Große Unternehmen wie Netflix, Amazon, Spotify und Uber setzen auf diese Architektur, um ihre komplexen Systeme zu betreiben. Auch mittelständische Unternehmen nutzen Microservices zunehmend für ihre Kernapplikationen.
Wer als Fachinformatiker für Anwendungsentwicklung arbeitet, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Microservices treffen - sei es bei der Entwicklung neuer Systeme oder bei der Wartung bestehender Architekturen. Auch für Fachinformatiker für Systemintegration ist das Verständnis wichtig, da sie häufig für den Betrieb und die Konfiguration der zugrunde liegenden Infrastruktur zuständig sind.